Juli Zeh „Spieltrieb“
Das ist das zweite Buch, das ich von Frau Zeh lese (das erste war „Schilf“) und obwohl ich irgendwann beschlossen hatte (auf Grund von Interviews und Artikeln über sie), dass sie ne arrogante Ziege ist, muss ich sagen: Ziege hin oder her, fest steht jedenfalls: die Ziege kann schreiben. Und zwar sehr gut.
Und nachdem ich auch diesmal zuerst meine Minderwertigkeits- und Unterlegenheitsgefühle angesichts der fremdwörtlichen Sprachgewalt überwunden und mich damit abgefunden hatte, dass ich ein paar der Wörter noch nie gehört habe und also nachschlagen müsste, und auch nicht noch mal schnell Physik, Philosophie, alte Sprachen und Jura studieren kann,
bin ich erneut in eine Geschichte eingetaucht, deren Scharfsichtigkeit mir zuweilen Magendrücken bescherte.
Es gibt auch Amok-Läufer, die nicht zur Schusswaffe greifen, sondern viel diffiziler zu Werke gehen. Hinter dem niedlichen Titel Spieltrieb verbirgt sich die minutiöse Schilderung einer breit angelegten, gigantischen Manipulation. Die Drahtzieher: eine Schülerin und ein Schüler – Gefühlskrüppel, Einsamkeitserleider, Ausgestoßene, die nicht mehr wissen, wie viel von diesem Ausgestoßensein das Produkt ihres eigenen Wirkens ist, Intelligenzbestien. Bedrohlich für Lehrer, die kaum noch einen der Werte verkörpern, die zu vermitteln ihr Auftrag ist. Beängstigend für Pädagogen, die befürchten, bei einem Disput, würden sie diesen in ihrem Unterricht befördern, träten ihre eigene Meinungslosigkeit, ihr Desinteresse und ihre Gleichgültigkeit vollends zu tage.
Eine Internatsschule in Bonn, die auch noch hoffnungsloseste Fälle zum Abitur führt; ein neuer Direktor mit Napoleon-Komplex, der wegen seiner Herrschaftsansprüche und angestrebten Diktatorposition absolut geeignet ist für Manipulation; ein Lehrer für Sport und Deutsch, der zu arglos und gleichzeitig zu beschäftigt ist mit seinen häuslichen Problemen; ein Geschichtslehrer, der viel (voraus)sieht, aber keinen Einfluss besitzt oder besitzen will.
Ein Haufen Statisten in Gestalt von Schülerinnen und Schülern, Marionetten sozusagen.
Das Spiel kann beginnen. Es beginnt leis mit dem ersten Lehrer, der auf Grund dubioser Anschuldigungen sexueller Übergriffigkeit wegen geschasst wird. Es geht weiter mit einem Skandal, der zur Gerichtsverhandlung führt und Opfer hinterlässt. Nicht alle werden überleben.
Alev und Ada, die Gott und Teufel spielen, immer auf der Suche nach ETWAS, das dem NICHTS in ihnen den Raum nimmt.
Ein kritischer, zuweilen zynischer Blick auf unser Schulsystem, auf das Familienleben, auf Werte und Ziele, die unser Leben heute und hier, in dieser Gesellschaft und auf der Erde bestimmen.
Eine Liebesgeschichte (eigentlich drei).
Ein kitschiges Ende.
Irgendwann in der Mitte verliert die Geschichte ein wenig an Kraft und Glaubwürdigkeit. Das ist auch der Punkt, ab dem die Bildungsbestie Zeh mit ihrem Hang zu geistiger Masturbation den Leser zu ermüden beginnt. Die Spannung bleibt resigniert auf der Strecke.
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