wort der woche
Saunafaschos
Sonntag, den 13. April 2014 um 11:46 Uhr

 

Gerade fragt mich meine Tochter, quasi aus dem Nichts heraus, beziehungsweise aus Gründen, die ich mir weiterhin verschleiert wünsche, ob ich immer noch ganz nackt in die Sauna ginge. Das NOCH in dieser Frage macht mir zu schaffen. Gepeinigt von inneren Momentaufnahmen eines Körpers im Spiegel, den zu kennen ich mich im Moment weigere, frage ich mit leichtem Meckervibrato in der Stimme zurück, wie ich denn sonst da reingehen sollte . . .

Habe ich den Anschluss an neue Entwicklungen verpasst, wie bei den SMS und Facebook-Smilies? "Süß, Deine Smilies, Mama, rührend irgendwie . . .", grinst meine nächste Generation und legt so einen . . . gütigen Ton auf. Bald wird sie mir beim Bezahlen ins Portemonnaie grapschen und hilfreich das passende Kleingeld raussuchen, weil sie denkt, ich packs nich mehr! "Was?", frage ich. "Was ist verkehrt mit meinen Smilies?" "Nichts, nichts - Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das . . . schon klar, is nich schlimm, Du schreibst ja auch okay aus, so richtig o k a y . . ." Nicht ohne Stolz weise ich an dieser Stelle darauf hin, dass ich immerhin auf Facebook im Stickershop war und jetzt stimmungsentsprechend Minions posten kann!

Was hab ich bezüglich Sauna verpasst? Ist Nacktsein out? Trägt man da jetzt irgendwas? Außer dem Flair des abgehärteten Schwitzmeisters mit Aufgussaroma? Das muss ich unbedingt wissen, bevor ich der Einladung meiner Freundin zum gemeinsamen Saunieren folge. Schon dieses Wort: "Sau" und "Nieren", viel Raum für Phantasie. Da gibt es saumäßig viel, was einem tierisch an die Nieren geht. Es ist im Übrigen die Freundin, die immer so viel und so laut spricht. Das fällt mir eigentlich nur in der Sauna auf, weil da alle anderen so still sind. Ich geb es zu: Ich hab Angst vor den Sauna-Faschos. Eingeschweißte Hardcorehummer, die Dich mit Blicken steinigen, wenn Du vergessen hast, Deine FlipFlops im Vorraum zu lassen und Du deshalb nochmal raus musst und die Tür nicht zu machst, weil Du ja gleich wieder reinkommst. Die Temperatur ist durch Dein ignorantes Verhalten von 100 °C auf indiskutable 99 gesunken und der an der Tür saß voll im Zug. Von nun an behalten sie Dich im Auge. Hat sie genügend Handtücher dabei, damit auch wirklich jedes Tröpfchen Schweiß aufgefangen wird? Weiß sie, wie man stumpf vor sich hin stiert und immer mal mit einem glitschenden Switsch die Schweißbäche abwischt und dabei schnauft? Hat sie eine Ahnung vom Regelwerk des Aufgussverhaltens? Hat sie. Es ist wie beim Konzert: nach den einzelnen Sätzen wird nich geklatscht – erst nach dem Finale. Nur schade, dass es keine Sitzplatzreservierungen gibt, von Liegeplätzen ganz zu schweigen – wenn Du als Brandopfer auf den heißen Steinen landen willst, dann riskier ruhig eine Streckbank zur Aufgusszeit. Ne, das mit der freien Platzwahl macht Stress. Der Aufgussjäger muss bei Betreten der Saunalandschaft die an den Türen der Schwitzkästen aushängenden Aufgusszeiten studieren und memorieren, um daran ausgerichtet den Schnittmusterbogen seiner heutigen Saunagänge zu konstruieren. Während Ignoranten wie ich zwischen den Aufgussevents in der fast leeren Sauna lümmeln, lauert der ambitionierte Schweißer wie eine Sprungfeder auf der Liege, die er entgegen der Anweisung der Saunabetreiber vorher mit einem Handtuch besetzt hatte, und muss entspannt tun. Wie beiläufig wandert sein Blick immer wieder zur Uhr im Ruheraum (leise bitte!!). Unauffällig cremt er sich schon mal mit dem ionisierten Honig-Kohlrabi-Ingwer Gemisch ein, das dann in der Wüstenluft der Blockhaussauna vollständig vom Handtuch aufgesaugt wird und nicht klebt. Immer zum Herzen hin cremen! Wann ist der rechte Startpunkt zum Angriff? Geht man zu früh rein, hat man zwar einen guten Platz, aber vielleicht auch schon Herzrasen am Rande des Hitzschlags, wenn der Blockwart endlich erscheint und muss unter den hämischen Blicken der triefenden Gemeinde vorzeitig den Schauplatz verlassen, ohne in den vollen Genuß des Gletschereisaroms auf Kieselerde zu gelangen. Wenn sie einem "Tür zu!" hinterher rufen, ist der Abend gelaufen. Startet man jedoch zu spät, ist womöglich kein Platz mehr frei, bis auf den ganz vorn am Ofen, wo man gleich schlapp macht und unter Umständen vom Wedelhandtuch des Aufgusszelebrators an den in der Hitze knispelnden Ohren getroffen wird.

Ich habe meine Freundin, die sich auch als Aufgussjunky entpuppt hat, in ihrer Poolposition im Lagerraum verlassen, um mich genüsslich in der noch leeren Sauna auf der oberen Bank auszustrecken und mein Gehirn auf Gemüsestatus runter zu fahren. Plötzlich, obwohl ich noch kein Bedürfnis nach Abkühlung verspüre, umrahmt mich eisiges Schweigen, das in der Stille gut zu hören ist.

Trotz wallt in mir auf, aber auf den ersten Schweißbächen bildet sich schon eine Eisdecke, ich mache den Aromaschnüfflern Platz. Und bleiben muss ich nun auch, um nicht auf ein Prinzip festgenagelt zu werden, das Prinzip der Aufgussvermeidung. Ich habe nichts gegen Aufgüsse, ich brauche sie nur nicht. Außerdem muss ich dieser "Wir sind immer donnerstags um 6 hier und was machst Du auf meiner Bank?"-Horde Paroli bieten. Der Raum füllt sich. Hoffentlich halte ich durch. Es erscheint der Zeremonienmeister, bewaffnet mit einem Handtuch an einer hölzernen Fahnenstange, einem Handtuch um die Hüfte, einem Bottich und einer Schöpfkelle. Irgendwie fehlt mir als Krönung des martialischen Auftritts ein Wicki der Wickinger Helm auf seinem Kopf. Aber wahrscheinlich würden die metallischen Hörner in der Hitze schmelzen. "Ich zelebriere einen Almdudler aus Edelschweiß, Gürtelrose und Schmelzkäse in drei Runden" verkündet der Folterknecht und schreitet zur Tat. Stolz zeigen sich die abgebrühten Hardliner ihre angesengten Brustwarzen. Zum Waxing müssen die auch nich mehr gehen. Versteckt hinter meinem Handtuch überstehe ich die erste Runde.'Doch mehr Sturm auf die Bastille', denke ich beim Anblick des Standarte schwingenden Handtuchhalters, und tausche den Wickyhelm gegen eine Gavroche-Mütze aus. Eigentlich will ich jetzt raus, aber das ist bei Todesstrafe verboten – während der Aufgüsse rein oder raus . . . im wahrsten Sinne ein NO-GO. Wenn man jetzt die Tür öffnet, zerstört man das ganze Raum-Schweiß-Kontinuum und wird umgehend gelyncht. Ich schluchze leise, während mich die zweite Hitzewelle überdudelt und dem Zerberus die Standarte zerbricht. "Egal!", ruft er. Die letzte Runde dann eben traditionell von Hand bis in den letzten Winkel hinein gewedelt. Der Künstler verneigt sich und empfängt den schmatzenden Applaus.Ich ahne, warum das auch "klatschen" heißt. Blind verlasse ich mit brennenden Haaren die Hölle und will, nun doch vom Wettbewerbsgeist erfasst, wenigstens beim Abkühlungsranking auf einem vorderen Platz landen. Ich muss in den See, und zwar ganz ein-tau-chen. Sonst zählt es nicht. Die Warmduscher auf dem Steg machen ein paar angeblich von gymnastischem Geist getragene Bewegungen, um ihre Feigheit zu kaschieren. Mit einem Zischeln zerbröseln meine nach Kohlrabi riechenden Haare, mein Herz bleibt stehen, zu spät sehe ich den Notrufknopf an der Ufertreppe.

Ein Krebs ohne Brustwarzen sagt zum anderen: Man kanns auch übertreiben.

 
Wo ist sie nur hin!

Traurig suche ich sie überall - auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Cafés: die berühmte Hüftlinie; diese exotische Kurve, die wir früher als Taille kannten.

Alle Vorgaben menschlicher Anatomie ignorierend wird sie seit Jahren widerrechtlich 10 Zentimeter tiefer festgehalten, teilweise unter Ausübung von Gewalt festgezurrt - auf oft sehr üppig wachsendem Hüftgold, das sich notgedrungen als Wulst oder gar als WulstWulst den Weg ober-und unterhalb der neu definierten Gürtellinie sucht. Wo das Auge wohlgefällig einem Schwung folgen könnte, der in der . . . Taille am Rock-oder Hosenbund ansetzt und der Fantasie ein wenig Raum lässt, sucht der Betrachter bestürzt einen Ausweg aus dem Blickkontakt mit überquellendem Bauchspeck, der unter dem kurzen T-Shirt hervorlugt und vom tief sitzenden Gürtel so nach oben gedrückt wird, dass er keine Chance hat, als erotisch durchzugehen. Dort, wo eine kosende Hand genüsslich einer Wölbung folgen könnte, verheddert sie sich in einer Endmoränenlandschaft.

Die neue Hüftlinie verschandelt frauliche Proportionen, dass einen das Herz schmerzt. Oberkörper werden grundlos verlängert, Beine noch mehr verkürzt; es wird gepresst, wo man besser locker ließe und frei gelassen, wo Halt und Deckung gut täten. Nur wer keinen Arsch in der Hose hat, kann es sich leisten Hosen zu tragen, deren Schnitt diesen Körperteil nicht vorsieht.

Ich habe gehört, es sei nicht mehr in Mode, die Hosen so tief zu tragen, dass der String des Tangas wie ein Wegweiser in Regionen zeigt, deren Vorhandensein unsere Großmütter abgestritten hätten. Aber ich habe mich geirrt - es ist nur nicht mehr angesagt, den Tanga rauskucken zu lassen; vorn und hinten freier Blick auf Tatsachen, die haarig wären, wenn man sie ließe. Das Thema Nieren und Unterhemden ist Schnee von vorgestern.

"Trage ich den Bauch über dem Gürtel oder drunter?" Was finden Frauen aufregend an einer Kleidungsfrage, die ursprünglich reine Männersache war?

Ich bin davon überzeugt, dass der Schöpfer dieser Mode blind war oder ein Menschenhasser - oder beides.

 
Thälmann, oh Thälmann vor allen

Immer,( na, jedenfalls fast immer), wenn ich meiner Tochter morgens die Frühstücksstulle schmiere und auf dieses ärgerliche kleine Eckchen schaue, das bei runder Wurst auf eckigem Brotformat schlichtweg nicht zu vermeiden ist und überlege, ob ich einfach überlappend mit einer verschwenderisch obenauf gelegten halben Zusatzscheibe arbeite . . . immer dann steht Thälmann hinter mir, knufft mich in die Seite und sagt: Sei nich so knauserig, tu noch eine drauf!

Ich weiß, er will seine Stulle dann in der Schule an bedürftige Mitschüler abgeben, die nicht genug im Haus haben, um über die Formschönheit flächendeckenden Wurstbelags zu philosophieren. Er begreift nicht, dass er tot ist und die Stullen für meine Tochter sind, die sie manchmal in der Schultasche aufbewahrt, bis sie einen grünen Pelzmantel tragen.

Was macht Thälmann hinter mir? Warum knufft er mich? Warum ist er nicht samt der Geschichte, in der er seine Schwester unter Anwendung körperlicher Gewalt beim Stullenmachen zum Solidaritätszuschlag trieb, aus meiner Erinnerung verschwunden??

Thälmann unsterblicher Sohn, Thälmann ist niemals gefahallen - manche Sachen, die der Sozialismus sich ausgedacht hat, stimmen eben doch! Geh hin, Ernst, und erscheine jemand anderem! Ich bin für die proletarische Weltrevolution verloren. Ich interessiere mich nur für kleinbürgerliche Stullenqualität ohne wurstfreie Eckchen.

 

 
Der listenreiche Mensch,

Innovator immer neuer Behelfsstrukturen, die das Leben interessanter machen, klaut der Natur ihre besten Einfälle, wenn ihm selbst der Saft ausgeht.

Oftmals ignoriert er dabei völlig, dass es sich eben doch um Einfälle der Natur für die Natur handelt. Der Mensch aber ist selbst einer dieser Einfälle, allerdings ein sehr undurchdachter. Nehmen wir mal die Klette. Sie hat eine wunderbare Eigenschaft: sie bleibt hängen. Überall. "Toll!", sagt da der Erfinder, denkt sich die Klette eindimensional aufgerollt zum Streifen und glaubt nun, alles damit verkleben zu können. Und er hat recht!

Beispiel: Ich sehe den Schnee outside, fühle eine nordische Entschlossenheit in mir, greife die Ski und los geht´s. Während ich geschmeidig meine Schuhe in die Skihalterungen klicke, versuche ich, meine Haare vom Klettverschluss am Kragenbündchen meiner Outdoorjacke zu entfernen, um ihn winddicht zu verschließen (was nur unzureichend gelingt, denn ein paar Strähnen sind hängen geblieben und verringern die Klebhaftigkeit). Ich will die Wollhandschuhe ausziehen, um besser agieren zu können, hänge aber mit ihnen schon an den dank Klettverschlüssen luftdicht schließenden  Ärmelbündchen fest. Na gut, bleibt der Kragen eben offen. In echter Rennfahrermanier rücke ich vor dem Start noch meine Mütze in Position,  reiße sie mir aber mit dem ergonomisch durchdachten Klettverschluss meiner linken Skistock-Schlaufe vom Kopf, während weitere Haarsträhnen Totemartig die Schlaufe des rechten Stocks schmücken. Gern würde ich mir mit einem Taschentuch die langsam gefrierenden Tränen des Schmerzes aus dem Gesicht wischen, aber ich wage die Auseinandersetzung mit den wasserdicht abschließenden Klettverschlüssen meiner Anoraktaschen nicht. Wer weiß, vielleicht muss ich Extremitäten zurück lassen.

Am rechten Schuh ist unter dem Klettverschluss, der den Reißverschluss gegen Schnee schützt, ein Stückchen des Schals zu sehen, der mir vorhin im Flur beim Anziehen runter gefallen und partout nicht mehr zu finden war. Fressen Klettverschlüsse Wolle? Das würde manches erklären, was in unserem Haushalt geschieht.

Die Erfinder jedenfalls haben eins übersehen: Die Natur-Klette konzentriert sich. Sie muss nicht hier und da und dort kleben, sie entscheidet sich. Deshalb gerät sie auch nie in die Situation, in einer konzentrierten Versammlungsrunde die Klappe der Schultertasche mit jenem aufreizenden Geräusch zu öffnen, das aller Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder einen schon sehr vollen Koffer nicht schließen zu können, weil man die erforderliche Deckungsgleichheit von oberem und unterem Klettverschluss nicht erreicht.

Heerscharen gebeutelter Eltern zwingen ihre Kinder, Schleifen binden zu lernen. Immer mehr Lehrer beantragen Berufsunfähigkeitsrente, weil sie sich gegen die ständigen Reißgeräusche beim Öffnen der Federmappen nicht mehr durchsetzen können. Fahrkartenkontrolleure suchen sofort das Weite, wenn der Passagier andeutet, er müsse die Monatskarte aus seinem klettverschlossenen Brustbeutel holen. Bundesbeamte nehmen Dich in Haftpflicht, wenn Du mit der öffentlichen Demonstration von  Klettverschlüssen drohst.

Es wird von Fällen berichtet, da haben Zelturlauber aus Angst vor Lynchjustiz in den Schlafsack gepinkelt, weil sie sich nicht trauten, noch ein weiteres Mal die nächtliche Stille auf dem Zeltplatz  zu zerreißen. (rrrtsch, rrrscht, rrrtscht, zipp - scheiße, hier ist noch einer - rrrscht zipp)

Schließt man sie allerdings nicht, um dieser Situation zu entgehen, rächen sich die Klettverschlüsse, indem sie sich verkrumbeln (ein irreversibles Selbstklebeverhalten, das die Soziologen mit dem Selbstbegatten bei Zwittern gleichsetzen) oder docken irgendwo anders an, wo sie dann Gewebe zerreißen, das dieser starken Anhänglichkeit nicht gewachsen ist.

Ich bin sicher: Das hat die Natur nicht gewollt.

 

 

 

 

 
Endlich ist es soweit

ich ergreife die wahrscheinlich einmalige Gelegenheit, die Zeitform des vollendeten Futur, dieser rätselhaftesten aller Zeitformen, zu benutzen. Achtung!

Eigentlich geht es ja um den Tatort und um den Polizeiruf. Ja, ich gebe es zu, ich gehöre zum Häuflein der republikweit verlachten letzten Aufrechten, die Sonntag Abend, ganz klar, telefonisch zwischen 20.15 und 21.45 nicht erreichbar sind und sich auch nichts anderes vornehmen, als sich pünktlich in Erwartung (mal sehen, wer heute dran ist) gräßlicher Verwicklungen krimineller Natur vor dem Fernseher zu platzieren.

Das heißt (und jetzt kommt's!) . . . ich werde demnächst zu diesem Klub gehört haben. Denn es wird immer langweiliger, spießiger, verschrobener, psychounlogischer - und meine Lieblingsteams kommen sowieso zu selten. Nächstes Jahr werden noch mehr Tatorte langweilig gewesen sein.

Deswegen wird  meine Anwesenheit am Tatort die längste Zeit gedauert haben.

Was ich aber unbedingt noch anmerken möchte: in deutschen fernsehweltPolizeistationen wird unglaublich viel renoviert. In letzter Zeit sehe ich regelmäßig Menschen in Malerkitteln auf Behördenfluren, die auf ein Zeichen des Regieassistenten die Malerrolle schwingen oder eine Tapetenbahn an die Wand halten, solange das Ernmittlerteam vorbei läuft. Auch passiert es immer häufiger, dass tatendurstige Kommissare ihr Büro betreten wollen, erst einmal über einen Eimer stolpern und  ihren Schreibtisch unter lauter Malerfolie versteckt finden (oder auch nicht). Oft müssen sie sogar zwischenzeitlich woanders arbeiten! So geht das nicht. Möglicherweise ist das die Ursache für die nachlassende Qualität der einzelnen Folgen.

Noch ist Hoffnung. Den Renovierungsbedarf an sich scheinen die Regisseure erkannt zu haben. Sie nehmen das mit dem Tapetenwechsel nur zu wörtlich.

 
"Du wirst schon sehen, was Du davon hast, wenn ich nicht aufpasse!"

Eine neue Massenbewegung setzt sich generationsübergreifend durch!

Zuerst dachte ich noch: Mann! Diese Omas und Opas . . . wandelnden Kampfansagen gleich pflügen sie über die Straße, eingehüllt in absolute Ignoranz gegenüber dem rauschenden Verkehr und man sieht förmlich die Denkblase über dem gebeugten Kopf: "Ist mir doch egal!" Manchmal gucken sie sogar nach links oder rechts, starren Dir ins schreckgeweitete Auge und der Inhalt der Sprechblase wäre hier: "PPhü!" Und noch während ich versuche, diese traumatischen Erlebnisse in meinem Autofahrerleben philosophisch verdaulich einzuordnen und dabei ein gerüttelt Maß Schuld auf mich zu nehmen

(hoffnungslose Rentner spielen RussischRoulette; von der Gesellschaft aussortierte Senioren spielen mit meinem Leben; vom Leben enttäuschte Mitglieder der neuen Zielgruppe der Werbeindustrie verüben Selbstmordattentate, um den unmenschlichen Straßenverkehr anzuprangern)

während ich also dem demographischen Wandel auf der Straße tiefenpsychologisch auf der Spur bin, muss ich feststellen, dass zunehmend auch junge Menschen, die abends noch nicht den Abdruck des Gummibündchens am Bein sehen, wenn sie ihre Socken ausziehen, die Straße vor allem dann betreten, wenn ein Auto kommt.

Manchmal haben sie mich auch nicht gleich gesehen und gehen erst dann extra langsam, wenn ich in ihrem Augenwinkel auftauche. Zuweilen setzen sie spielerisch den Fuß vor und zurück und entscheiden erst im letzten Moment, die Straße doch zu überqueren - nämlich genau dann, wenn ich irregeführt aufs Gas drücke.

Sie wissen, sie haben mir etwas voraus: Sie werden vielleicht tot sein, aber immer im Recht.

 
Jetzt geht das wieder los

Socken auf der Straße und im Park - eigentlich überall! Ich mache mir Sorgen. Im Sommer: nichts, auch irgendwie logisch, denn da findet man nur in Urlaubsgebieten aus dem Handgepäck geflüchtete Teile. Doch kaum beginnt die Kalte-Füße-Saison, schon liegen sie wieder rum: unschuldige Fußsäckchen, die keiner mehr will. Nun gut, habe ich anfangs gedacht, als das Phänomen mir erstmals bewusst ward und ich meinen Blick für Socken schärfte:

da wissen gequälte Seelen, die von der Waschmaschine und nicht für die Wäsche verantwortlichen Familienmitgliedern immer wieder um eine Socke betrogen werden, sich nicht mehr anders zu helfen. Weg damit! Weg mit den nutzlosen Überbleibseln, den Single-Socken. Bei Socken herrscht nunmal Paarbetrieb. Eine Weile hält man sich mit dem Swingerclub-Prinzip über Wasser - vor allem in der Stiefelsaison kriegt ja kein Mensch mit, dass ich eine lila Socke und einen roten Kniestrumpf trage. (Man denkt den ganzen Tag "Wenn Ihr wüsstet" und fühlt sich überlegen, bis der Abend heraufzieht, da man bei Leuten zu Besuch ist, die Hausschuhe für einen bereit halten)

Dann startet man Großaktionen: Man legt nach jeder Wäsche die Einzelsocken aufgereiht in den Flur, um die bei der nächsten Wäsche möglicherweise auftauchenden Pendants zuzuordnen und beglückt in den Schrank zu räumen. Dieses Verfahren hat, abgesehen von den ständigen Rufen "bitte nicht auf die Socken treten!", einige Schwachstellen. Die größte aber ist, dass die fehlenden Socken einfach weg sind.

Nun aber fällt meine Theorie von der wütend-resigniert auf die Straße expedierten Single-Socke in sich zusammen. (Zudem bliebe noch zu klären, weshalb diese Dinger nicht einfach im Hausmüll versteckt werden . . . Strafaktion?)

Denn jüngst sah ich ein Sockenpaar, ausgesetzt auf der Straße, im kalten Herbstwind (und es waren nichtmal Wollsocken!). Was war hier der Trennungsgrund? Waren es ursprünglich vier? (Was das bedeuten würde, lasse ich lieber im Dunkel)

Ach, ich kann mich nicht um alles kümmern! Da sind ja auch noch die Schuhe in den Bäumen, an Straßenschildern und Überlandleitungen!

 
die Serviettenfrage

beschäftigt mich schon länger. Ich frage beherzt: "Für wen ist die Serviette da?" Das muss, finde ich, endlich geklärt werden. Hier hat eine totale Werteverschiebung stattgefunden.
Wo nämlich liegt die Serviette, wenn ich mir ein leckeres Stück Torte bestellt habe? Na? Na ?. . .   na genau! UNTERM Kuchen! Ich muss mit den Fingern, die ich später gern an der Serviette abgewischt hätte, das cremige Teil anheben, um die Serviette sicher zu stellen, die allerdings schon starke Fettflecken (Beuys lässt grüßen, vielleicht hat der sich das ausgedacht?) aufweist. Oder . . . ich esse den Kuchen von der Serviette runter . . . dabei geht sie meist kaputt, manchmal lebt sie mit ihrem Stück Torte oder mit ihrem Pannino auch schon in Symbiose und die beiden wollen sich gar nicht mehr trennen. Dann weiß ich nicht: schmeckt jetzt die Torte nach Pappe oder hab ich grad ein Stück Serviette im Mund. Ich würde das gern selbst bestimmen, die Kontrolle haben.
Vielleicht will das Personal auch das Vorspülen beim Geschirr sparen. Ich fordere hiermit, dass die Serviette wieder ihre ursprüngliche Aufgabe übernimmt. Wenn ich Garnierung auf dem Teller habe, dann soll sie essbar sein!