Wandern ohne Karte |
wer hätte gedacht, dass "Die Kinderhochzeit" von Adolf Muschg und mein Winterurlaub im Vogtland (stellenweise) vom selben Geist beseelt sind? "Und wie wollen Sie bei uns auf etwas Unerwartetes stoßen, wenn Sie nicht an Orte gehen, wo nichts ist? Du musst den Weg schließlich allein suchen, und dabei begegnet dir schon viel; der Weg hört auf oder führt in eine andere Richtung, und dann hast du die Wahl, ob du trotzig bleiben willst oder ob dir eine Richtung so gut ist wie die andere." Aus genau dieser Überzeugung heraus wähle ich häufig Wege, die einfach nur verheißungsvoll wirken und oft genug im nächsten Dickicht oder auf einer sumpfigen Wiese enden - manchmal aber auch an einen gleichsam verwunschenen Platz voll köstlicher Stille führen, zu einem Gasthaus wie aus dem Märchen oder zu sonst einer Begegnung, die ohne diesen Trotz oder diese Gleichmut nicht geschehen wäre. Was ich ansonsten von dem Buch halte, weiß ich noch nicht. Ich mag diese intellektuelle Leichtigkeit, in der die Sätze dahin plätschern, genauso sehr, wie sie mich anstrengt, eben weil der Leichtigkeit so oft der Geruch harten Drechselns und ein Möchtegern anhaftet. Verschnörkelt, verwickelt - für das Wandern im Buch brauchte es wohl zuweilen doch eine Karte. Müdigkeit schleicht sich an, wenn man aus der letzten halb verdeckten Plätscherei wieder nur fast errät, um wen es hier eigentlich geht. Gleichzeitig ist alles zart, Verletzungen schimmern durch die Oberfläche, Kleinigkeiten gewinnen im Zusammenhang Bedeutung, Menschen werden lebendig. Die Neugier ist geweckt. Ein Buch der Woche - einfach, weil ich es eben in dieser Woche grad lese. Alfred Muschg "Die Kinderhochzeit", suhrkamp taschenbuch Nachtrag: am Anfang hat mich das Buch ein bisschen dürrenmatt gemacht, aber zum Schluss hat es mich gepackt und ich war gespannt auf den Ausgang und ganz und gar gefangen genommen |