Der listenreiche Mensch,

Innovator immer neuer Behelfsstrukturen, die das Leben interessanter machen, klaut der Natur ihre besten Einfälle, wenn ihm selbst der Saft ausgeht.

Oftmals ignoriert er dabei völlig, dass es sich eben doch um Einfälle der Natur für die Natur handelt. Der Mensch aber ist selbst einer dieser Einfälle, allerdings ein sehr undurchdachter. Nehmen wir mal die Klette. Sie hat eine wunderbare Eigenschaft: sie bleibt hängen. Überall. "Toll!", sagt da der Erfinder, denkt sich die Klette eindimensional aufgerollt zum Streifen und glaubt nun, alles damit verkleben zu können. Und er hat recht!

Beispiel: Ich sehe den Schnee outside, fühle eine nordische Entschlossenheit in mir, greife die Ski und los geht´s. Während ich geschmeidig meine Schuhe in die Skihalterungen klicke, versuche ich, meine Haare vom Klettverschluss am Kragenbündchen meiner Outdoorjacke zu entfernen, um ihn winddicht zu verschließen (was nur unzureichend gelingt, denn ein paar Strähnen sind hängen geblieben und verringern die Klebhaftigkeit). Ich will die Wollhandschuhe ausziehen, um besser agieren zu können, hänge aber mit ihnen schon an den dank Klettverschlüssen luftdicht schließenden  Ärmelbündchen fest. Na gut, bleibt der Kragen eben offen. In echter Rennfahrermanier rücke ich vor dem Start noch meine Mütze in Position,  reiße sie mir aber mit dem ergonomisch durchdachten Klettverschluss meiner linken Skistock-Schlaufe vom Kopf, während weitere Haarsträhnen Totemartig die Schlaufe des rechten Stocks schmücken. Gern würde ich mir mit einem Taschentuch die langsam gefrierenden Tränen des Schmerzes aus dem Gesicht wischen, aber ich wage die Auseinandersetzung mit den wasserdicht abschließenden Klettverschlüssen meiner Anoraktaschen nicht. Wer weiß, vielleicht muss ich Extremitäten zurück lassen.

Am rechten Schuh ist unter dem Klettverschluss, der den Reißverschluss gegen Schnee schützt, ein Stückchen des Schals zu sehen, der mir vorhin im Flur beim Anziehen runter gefallen und partout nicht mehr zu finden war. Fressen Klettverschlüsse Wolle? Das würde manches erklären, was in unserem Haushalt geschieht.

Die Erfinder jedenfalls haben eins übersehen: Die Natur-Klette konzentriert sich. Sie muss nicht hier und da und dort kleben, sie entscheidet sich. Deshalb gerät sie auch nie in die Situation, in einer konzentrierten Versammlungsrunde die Klappe der Schultertasche mit jenem aufreizenden Geräusch zu öffnen, das aller Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder einen schon sehr vollen Koffer nicht schließen zu können, weil man die erforderliche Deckungsgleichheit von oberem und unterem Klettverschluss nicht erreicht.

Heerscharen gebeutelter Eltern zwingen ihre Kinder, Schleifen binden zu lernen. Immer mehr Lehrer beantragen Berufsunfähigkeitsrente, weil sie sich gegen die ständigen Reißgeräusche beim Öffnen der Federmappen nicht mehr durchsetzen können. Fahrkartenkontrolleure suchen sofort das Weite, wenn der Passagier andeutet, er müsse die Monatskarte aus seinem klettverschlossenen Brustbeutel holen. Bundesbeamte nehmen Dich in Haftpflicht, wenn Du mit der öffentlichen Demonstration von  Klettverschlüssen drohst.

Es wird von Fällen berichtet, da haben Zelturlauber aus Angst vor Lynchjustiz in den Schlafsack gepinkelt, weil sie sich nicht trauten, noch ein weiteres Mal die nächtliche Stille auf dem Zeltplatz  zu zerreißen. (rrrtsch, rrrscht, rrrtscht, zipp - scheiße, hier ist noch einer - rrrscht zipp)

Schließt man sie allerdings nicht, um dieser Situation zu entgehen, rächen sich die Klettverschlüsse, indem sie sich verkrumbeln (ein irreversibles Selbstklebeverhalten, das die Soziologen mit dem Selbstbegatten bei Zwittern gleichsetzen) oder docken irgendwo anders an, wo sie dann Gewebe zerreißen, das dieser starken Anhänglichkeit nicht gewachsen ist.

Ich bin sicher: Das hat die Natur nicht gewollt.